Der Ring meiner Großmutter – welche Erinnerungen wichtig sind

Wann immer es mir nicht gut geht, nehme ich den Ring von meiner Großmutter aus der Schatulle. Als sie vor so vielen Jahren starb, habe ich mir von ihrem Erbe mein Hochzeitskleid gekauft und die Ausbildung zur Geburtsvorbereiterin bezahlt. Meine Großmutter hatte früher selber auf einer Geburtenstation in Berlin gearbeitet und ich dachte, dies sei eine wunderbare Erinnerung an sie. An materiellen Dingen ist mir von ihr mein Hochzeitskleid geblieben und eben dieser Ring.

Manchmal komme ich im Leben an Wendepunkte, an Stellen, an denen ich nicht weiter weiß. Und selbst im Gespräch mit meinem Partner oder mit Freunden fügt es sich noch nicht so zusammen, dass ich eine Antwort auf das erhalte, was ich mich frage. Ich nehme diesen Ring, halte ihn in den Sonnenschein und setze ihn auf meinen Finger. Was würde meine Großmutter wohl nun zu mir sagen? „Ach, Susannchen…“ höre ich dann ihre rauchige Stimme. Es gibt diese Klänge, diese Stimmen oder Gerüche, die man im Leben nie vergisst. Was es wohl sein wird, an das sich meine Kinder später erinnern? Welche Gerüche, welche Geschmäcker, welche Töne? Werde ich ihnen auch Erinnerungsstücke hinterlassen, die sie heraus nehmen in solchen Situationen und in denen sie an mich und meine Worte denken? Vielleicht ist es sogar dieser Ring, den eines Tages meine Tochter oder mein Sohn in seinen Händen halten wird.

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Es kommt nicht darauf an, ihnen zum Geburtstag oder zu Weihnachten die größten Geschenke zu machen, sie brauchen nicht das Zimmer voller Spielzeug. An Situationen wie diesen spüre ich, was wirklich zählt: Die Erinnerung an die Liebe, an die Zuwendung, an das warme Gefühl der Geborgenheit. Ich kann mich nicht mehr an viele Dinge erinnern, die meine Großmutter mir im Laufe meiner Kindheit und Jugend geschenkt hat. Aber ich erinnere mich an die vielen Momente, die ich mit ihr hatte, an den Geschmack ihrer Tomatensosse, an das Gefühl ihres Sofas, als ich darauf weinte, weil mein Schulfreund gestorben war.

Der Geburtstag meiner Tochter steht bevor und es ist ein Fest, das ich liebe und das ich so unglaublich gerne feier und wertschätze. Doch was ich ihr wirklich schenken möchte, sind nicht die Geschenke an sich, sondern ein Gefühl. Ich möchte ihr den Tag schön machen, weil ich ihr zeigen will, wie wichtig sie ist in meinem Leben. Ich möchte ihr – wie jeden Tag – eine Erinnerung mit auf den Weg geben an eine Liebe, die nicht endet. Die Erinnerung an eine Stimme, an das Gefühl im Arm gehalten zu werden und an Beruhigung. Etwas, das sie für immer bei sich im Herzen tragen kann. So, wie ich die Erinnerung in meinem Herzen trage.

Eure

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5 Kommentare

  1. familieberlin

    Tolle Worte, mir kommen gleich die Tränen. Mir geht es sehr ähnlich. Ich habe viele Erinnerungen an meine Oma und ein Amulett mit einem Bild von ihr drin. Auf die andere Seite kommt nun ein Bild meiner Tochter, denn sie trägt den Namen meiner Oma. Das ist meine Art, sie weiterhin nah bei mir zu haben, denn sie hat mich groß gezogen.

  2. Vielen Dank für diesen schönen Text.
    Meine Oma stand mir auch sehr nah, nun ist sie seit 6 Jahren tot

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