Die Kiste – Abschied vom Kinderkriegen oder doch nicht?

Die_Kiste

Nachdem meine Tochter im März 2009 geboren wurde, habe ich die allerschönsten Anziehsachen, wenn sie draus heraus gewachsen war, in eine Kiste gelegt. Im Laufe der Zeit kam eine weitere Kiste dazu, dann noch eine und noch eine… Kurz vor ihrem 3. Geburtstag dann stellten wir fest, dass ich wieder schwanger war. Eine Überraschung und auch eine Freude und natürlich kam auch der Gedanke: Was für ein Glück, dass ich so viele schöne Lieblingssachen aufgehoben habe! Und da wir für die Tochter vorwiegend neutrale Farben gekauft hatten, waren auch alle Dinge sohntauglich.

Als der Sohn geboren wurde, konnten viele der allerkleinsten Sachen gleich in der Kiste bleiben, denn er war größer und schwerer als die Tochter und mit seinem Stoffwindelpo brauchte er sowieso etwas mehr Stoff. Dann wurde er größer: Die 62 ging, die 68 kam, die 74, die nun noch knapp passt. Und mit dem Größerwerden und dem Kleidungswechsel stellte sich auf einmal noch eine ganz andere Frage: Lege ich die Sachen zurück in die Kiste oder nicht? Verkaufe ich sie? Und wenn ich sie zurück lege, für wen und warum? Mit dem Wachsen tauchte ganz unerwartet eine andere Frage auf.

Kurz nachdem der Sohn geboren wurde war mir ganz klar, dass zwei Kinder reichen würden. Es war anstrengend, diesen beiden gerecht zu werden und das gerade auch deswegen, weil ich von meiner Art und meinem Umgang mit Kindern nicht abweichen wollte. Zwei Kindern gleichermaßen gerecht werden – war das möglich? Als wir die Tochter dann auch noch aus dem Kindergarten nehmen mussten und ich mit beiden Kindern zu Hause blieb im längsten aller Winter meines Lebens, war es eine harte Zeit für mich. Ich habe vieles neu gelernt und unseren Alltag neu entwickelt. Oft kam mir ein Satz einer Kollegin in den Sinn, die zu mir sagte „Zwei Kinder reichen. Für jedes eine Hand.“

Der Sohn wurde größer und unser Alltagsleben wieder stabiler. Ich richtete es mir schön ein mit meinen beiden Kindern. Manchmal bedauerte ich es, dass ich mit dem Sohn nicht so viel Zeit allein zusammen haben konnte wie damals mit der Tochter. Eine Freundin sagte mir zu diesen düsteren Gedanken: „Das Besondere bei Deiner Tochter war, dass Ihr allein zusammen sein konntet. Das Besondere bei Deinem Sohn ist, dass er seine Schwester hat.“ Und damit hat sie Recht, denn ich bin mit jedem Tag neu erstaunt und begeistert, wie sehr sich diese beiden Kinder lieben. Sie gehören zusammen und ich sehe jeden Tag, wie gut sie sich tun. Oft staune ich darüber, wie schnell sich der Sohn entwickelt, weil er mit seiner Schwester spielt und ihr nachstrebt. Doch je größer er wird und je weniger Baby an ihm ist, desto größer wird auch die Frage: Ist das das letzte Mal?

Sehe ich heute ein letztes Mal, wie eins meiner Kinder das Sitzen lernt? Sehe ich zum letzten Mal, wie eins meiner Kinder zum ersten Mal winkt, wie es seine kleine Hand dreht, wenn ich ein Lied für ihn singe? Ist dies die letzte Stillzeit meines Lebens? Werde ich nicht noch einmal schwanger sein, die Bewegungen eines Kindes in mir spüren und diese unglaubliche Kraft haben, ein Kind selbst zu gebären? Und während ich mir diese Frage stelle, wandert wie von selbst der zu klein gewordene Wolle-Seide-Body in die Kiste. Der Mann sagte zu mir: „Wenn wir noch ein Kind haben wollen irgendwann, wird uns eine fehlende Kiste auch nicht davon abhalten.“ Stimmt. Aber vorsorgen schadet ja nicht. Nur für den Fall…

9 Kommentare

  1. Angela Schickhoff

    Das ist gerade MEIN großes Problem. Ich würde gern nochmal, aber ich glaube, es wird nicht dazu kommen, weil der Mann nicht mehr will – und naja, mal ehrlich, bin eigentlich auch schon zu alt. Aber der Abschied fällt ganz doll schwer. Ich hab so eine Kiste übrigens nicht. 🙂 Mir würde es eh ganz viel Spaß machen, alles neu zu besorgen. Bzw. weiß ich ja nun, dass so ein kleines Ding eigentlich nicht sehr viel mehr braucht als unsere Nähe, Stillen – naja, ein paar Kleidungsstücke usw. Und das war’s schon.

  2. Schöner, emotionaler Artikel. Wir haben 3 Kinder (08/09/11) und jedes Kind hat „seine“ Kiste. Wenn ich dem Gefühl nachgebe, würde ich sicher noch 1,2 Kinder bekommen wollen. Auch der Gedanke nach 3 Jungs vielleicht doch ein Mädchen….aber ich glaube wir sollten fertig sein. Denn allen Kindern gleichermaßen gerecht zu werden ist schwierig und wird jedes Jahr schwieriger. Gerade der älteste musste jetzt 2x zurückstecken, Verständnis zeigen….jetzt ist er mal dran. Sein letztes Kindergartenjahr beginnt. Ich möchte mit meinen Kindern toben, unabhängig sein, spontaner- und das kann ich schwanger bzw stillend kaum. Auch das Haus wäre zu klein, das Auto.
    Wir sind komplett. ein weiters Kind wäre egoistisch- für mich!

  3. Ein wunderschöner Artikel für einen ruhigen Sonntagvormittag weil der fast 5 jährige beim Fussball ist und der Papa mit der kleinen(13 Monate) am Spielfeldrand steht und anfeuert ! :))))

  4. So war es bei uns auch…. Baby 3 ist nun schon wieder bei Kleidergröße 80 angekommen. Wir haben fertig. Diesesmal endgültig. Ich sehe das „Erste Mal“ zum dritten und letzten Mal. Die Sachen kommen in die Kiste und zur Oma- für die Onkel, wenn die mal so weit sind. Einige Dinge habe ich in drei seperaten Kisten (für jedes Kind eine) aufbewahrt: der erste Schnuller, das erste Spielzeug, die Heimfahrsachen,…. Zum erinnern und freuen. In der Kiste ist noch viel Platz: für den ersten Wackelzahn, das erste Klassenfoto,…. Und wenn ich traurig bin, dass es das letzte Baby ist- sehe ich meine Mutter an und denke „Irgendwann gibt es Enkelkinder…“ Und bis dahin gibt es noch viele erste Male 🙂

  5. Gerade habe ich diesen Artikel gefunden. Ich wollte definitiv kein 3. Kind. Dann ein Fehlalarm mit dem ich mich dann plötzlich ganz gut anfreunden konnte und nun ist da doch ein kleiner Wunsch da. Deswegen fand ich es schön, als ich runterscrollte und sah, dass es mittlerweile 3 geworden sind 🙂

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